Nanking 1937: Sie zwangen Väter, ihre Töchter zu vergewaltigen - WELT (2024)

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Der Advent ist in Ostasien alles andere als eine Zeit der Vorfreude und Feierlichkeit. In China kommt es regelmäßig zu gewalttätigen Demonstrationen, die in Japan wiederum zu harschen Reaktionen führen. Denn der 13. Dezember ist der Tag, an dem 1937 japanische Truppen in die chinesische Hauptstadt Nanking einmarschierten. Was folgte, war ein Massaker, dem binnen weniger Wochen mindestens 50.000, nach anderen Schätzungen bis zu 300.000 Chinesen zum Opfer fielen.

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Der Deutsche John Rabe, Leiter der Siemens-Repräsentanz in Nanking und Zeuge des Blutbads, schrieb in sein Tagebuch: „Das Vorgehen der Japaner in diesem Fall ist mir ganz rätselhaft. Auf der einen Seite wollen sie als eine den europäischen Großmächten gleichgestellte Großmacht anerkannt und behandelt werden, andererseits tragen sie zur Zeit eine Gefühlsrohheit, Brutalität und Bestialität zur Schau, dass man sie mit den Horden Dschingis Khans vergleichen könnte.“

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Im Massaker von Nanking bündeln sich die Ressentiments und Ideologien, die den Zweiten Weltkrieg in Ostasien prägten. Bereits 1931 hatte die japanische Armee weite Teile der Mandschurei annektiert und den Marionettenstaat Mandschukuo installiert. Der sogenannte Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke bei Peking eröffnete am 7. Juli 1937 schließlich den offenen Krieg, der von Japan bewusst als schneller Eroberungsfeldzug geplant wurde. Die japanische Regierung wurde dabei von der japanischen Armeeführung regelrecht überrumpelt, die von einem Festlandsimperium träumte und Tokio mehr als einmal vor vollendete Tatsachen stellte.

Nachdem es an der Marco-Polo-Brücke zu einem Schusswechsel zwischen Einheiten der japanischen Armee und Soldaten des nationalchinesischen Kuomintang-Führers und Generalissimus’ Tschiang Kai-schek gekommen war, eroberten die Truppen des Tenno Peking und rückten auf die Metropole Shanghai vor. Dort aber hatte Tschiang seine von dem deutschen General Alexander von Falkenhausen organisierten Elitetruppen konzentriert, die sich mit großer Tapferkeit gegen die modern ausgerüsteten Japaner verteidigten. Innerhalb von drei Monaten verlor die chinesische Armee fast 200.000 Mann, fünfmal so viel wie die Japaner. Aber der unerwartete Widerstand stachelte deren Wut nur weiter an.

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Die Soldaten des Tenno folgten dem Bushido, einem Kriegerethos, das sich auf die ruhmreiche Zeit der Samurai zurückführte. Dazu gehörten blinder Gehorsam und eine bis an den Selbstmord reichende Opferbereitschaft. Das verband sich mit einer Herrenmenschenideologie, die die „göttliche Rasse“ der Japaner als zur Herrschaft über Asien berufen sah, was die radikale Modernisierung seit der Öffnung des Landes Mitte des 19. Jahrhunderts zu bestätigen schien.

Aus dieser Perspektive waren die Angehörigen der uralten Führungsmacht China allenfalls Schweine, die hinzumetzeln durchaus legitim war. Schonung von Kriegsgefangenen oder Zivilisten wurde von Offizieren oder Unteroffizieren als Mangel an Disziplin und Kampfbereitschaft verstanden, was die Spirale der Gewalt weiter antrieb.

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Nachdem die Japaner die chinesischen Stellungen vor Shanghai endlich durchbrochen hatten, löste sich Tschiangs Armee auf der Flucht weitgehend auf. An eine erfolgreiche Verteidigung Nankings war mit ihr nicht mehr zu denken. Um dennoch den Anschein zu wahren, er habe um seine Hauptstadt gekämpft, beließ er nur eine schwache Truppe von einigen Zehntausend Mann in der Stadt und zog sich Jangtse-aufwärts zurück. Was auf die zurückgebliebenen Einwohner zukam, zeigten die Nachrichten vom Vormarsch der Japaner, deren Divisionen miteinander wetteiferten, welche zuerst Nanking erreichen würde. Dörfer wurden niedergebrannt, ihre Bewohner bestialisch umgebracht. Schließlich begann die Bombardierung Nankings.

Japan hatte nicht die Haager Konventionen unterschrieben, die Kriegsgefangene unter Schutz stellten. Ein Befehl des Tenno tat ein Übriges: Gefangene sollten nicht gemacht werden. Am 12. Dezember begann die überstürzte Räumung der Stadt, am 13. rückten die japanischen Truppen ein. John Rabe und andere ausländische Geschäftsleute und Missionare hatten das „Internationale Komitee für die Nanking Sicherheitszone“ gegründet. Auf vier Quadratkilometern fanden zeitweilig bis zu 200.000 Bewohner Zuflucht.

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Was den übrigen blühte, beschrieb Rabe: „Einem bleibt der Atem weg vor Ekel, wenn man immer wieder Leichen von Frauen findet, denen Bambusstangen in die vagin* getrieben werden. Selbst Greisinnen von über 70 Jahren werden andauernd vergewaltigt.“ In Gruppen von mehreren Dutzend Mann machten japanische Soldaten Jagd auf Frauen, vergewaltigten sie, um sie anschließend bestialisch zu ermorden, etwa indem ihnen eine Flasche in die vagin* gedrückt und zerschlagen wurde. Junge Frauen wurden zu Tausenden in die „Trosthäuser“ der Armee verschleppt, in denen sie als Sexsklavinnen den Kampfgeist der Tenno-Truppen stärken sollten.

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Um ihre Berufung zum Herrenmenschen unter Beweis zu stellen, mussten frisch gezogene Soldaten ihre Kriegerehre erst unter Beweis stellen. Der britische Historiker Antony Beevor zitiert aus den Erinnerungen eines gewissen Toshio Shimada über seine „Bluttaufe“: Ein Gefangener war mit ausgestreckten Armen an zwei Pfähle gebunden worden. 50 Rekruten traten an, ihn mit dem Bajonett zu bearbeiten. „Meine Gefühle waren wie erstarrt. Ich spürte kein Mitleid mit ihm. Schließlich flehte er uns an: ,Los, mach schon!‘, was wohl bedeuten sollte, dass er rasch sterben wollte.“

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Offiziere dokumentierten ihre Verbundenheit mit den Samurai, indem sie Gefangene reihenweise enthaupteten. Um sich des Bushidos würdig zu erweisen, bekamen japanische Soldaten Befehl, Zivilisten zu Tode zu foltern. Ein Gefreiter beschrieb das Entsetzen von Neuankömmlingen: „Allen frischen Rekruten geht es so, doch bald werden sie selbst solche Dinge tun.“

Das Internationale Rechercheprojekt „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ hat das Massaker von Nanking auf der Grundlage von Augenzeugenaussagen rekonstruiert: „Die marodierenden japanischen Soldaten (schnitten) Frauen die Brüste ab, nagelten Kinder an die Wände oder rösteten sie über offenem Feuer. Sie zwangen Väter, ihre eigenen Töchter zu vergewaltigen und kastrierten chinesische Männer. Sie häuteten Gefangene bei lebendigem Leib und hingen Chinesen an ihren Zungen auf.“

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Als Berichte die Weltöffentlichkeit aufschreckten, behaupteten die Besatzungsbehörden, bei den Zivilisten habe es sich lediglich um verkleidete Soldaten gehandelt, deren Zahl kaum mehr als tausend betragen habe. Tatsächlich lagen auf allen Straßen und Plätzen Leichenberge herum, wo sich streunende Hunde satt fraßen, schreibt Antony Beevor. In Teichen, Bächen und Flüssen trieben aufgedunsene menschliche Körper.

Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Japaner diese Brutalität aus dem bewussten Kalkül heraus an den Tag legten, die chinesische Moral zu brechen. Gleichwohl bewirkte sie das Gegenteil. Nachdem Tschiang Kai-schek bereits im Sommer einen brüchigen Frieden mit Mao Tse-tungs Roter Armee geschlossen hatte, schlossen sich ihm nun auch konkurrierende Warlords an. Der Wille, den japanischen Invasoren standzuhalten, einte fürs Erste das bis dahin von Bürgerkriegen gezeichnete Land.

Auf japanischer Seite beförderte der sich ausweitende Krieg mit Tojo Hideki einen der führenden Generäle der Festlandsarmee in den innersten Zirkel der Macht. 1938 wurde er zunächst zum stellvertretenden Heeresminister ernannt. Spätestens nach Übernahme des Ressorts 1940 war er einer der einflussreichsten Politiker des Landes, der das Bündnis mit Hitler und Mussolini vorantrieb. Im Oktober 1941 zum Premier ernannt, führte er Japan schließlich in den Weltkrieg gegen die Vereinigten Staaten.

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